Warum das Wertemanagement eine elementare Führungsaufgabe ist

Warum das Wertemanagement eine elementare Führungsaufgabe ist

Dass Budget und Zeit organisiert werden müssen, ist jeder Führungskraft klar. Dass aber auch Wertemanagement zu ihren Aufgaben gehört, wissen nur die wenigsten Vorgesetzten. Wer jedoch ein langfristig handlungsfähiges, wettbewerbsfähiges und erfolgreiches Team um sich haben will, sollte sich mit dem Thema Werte- und Kompetenzentwicklung befassen.

Wie wichtig Kompetenzen in einer zunehmend komplexeren Arbeitswelt sind, ist offensichtlich. Nur mit ihnen lassen sich neuartige, unvorhersehbare und offene Situationen eigeninitiativ bewältigen. Und genau solchen Herausforderungen und Problemen werden Mitarbeitern in Zukunft viel häufiger begegnen, als es heute ohnehin schon der Fall ist. Die Krux daran ist, dass wir noch gar nicht wissen, welche konkreten Ansprüche die Arbeitswelt in Zukunft an uns und unsere Mitarbeiter haben wird und vor welche Herausforderungen sie uns stellen wird. Fakt ist aber, dass der Wandel schneller voranschreitet als jemals zuvor und Mitarbeiter heute darauf vorbereitet werden müssen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Werte als Ordner des Handelns

Die zukünftige Arbeitswelt ist eine Kompetenzwelt. Die Basis für Kompetenzen sind Werte und Normen, die als Ordner des Handelns fungieren. Folglich gibt es kein kompetentes Handeln ohne Werte. Dabei muss angemerkt werden, dass es keine richtigen oder falschen Werte gibt. Werte sind allenfalls akzeptiert oder nicht bzw. wenig akzeptiert. Durch die Verinnerlichung von Werten mithilfe eigener Erfahrungen, lassen sich die Denk- und Handlungsweisen der Lernenden langfristig beeinflussen.

Genau wie Kompetenzen können Werte nicht einfach vermittelt werden, sondern werden in dynamischen und unvorhersehbaren Problemsituationen kreativ und selbstorganisiert erworben. Anders als Wissen also, dass vor allem in seminaristischen Bildungsangeboten gelehrt und auf Vorrat gelernt wird. Der Wirkungsgrad von Frontalunterricht ist mit gerade einmal zehn Prozent jedoch verschwindend gering. Hinzu kommt, dass Wissen im Bedarfsfall oft nicht schnell genug mobilisiert werden kann.

Es macht deshalb auch aus ökonomischen Gründen Sinn, die Werte- und Kompetenzentwicklung in das Zentrum der beruflichen Bildung zu stellen. Zumal diese Entwicklung nicht in irgendwelchen Seminarräumen geschieht, sondern eingebettet werden muss in den beruflichen Alltag. Genau hier kommen die Führungskräfte ins Spiel, die ihren Mitarbeitern Ermöglichungsspielräume gewähren und Unterstützung leisten müssen, um Werte und Kompetenzen entwickeln zu können.

Führungskräfte müssen Entwicklungsprozesse ermöglichen

Das Wertemanagement gehört für moderne Führungskräfte genauso zu den Führungsaufgaben, wie das Entscheiden, Kommunizieren und Informieren. Mitarbeiterentwicklung ohne Wertemanagement ist nicht nachhaltig. Denn nur werteorientierte Mitarbeiter sind dazu in der Lage, auch in unsicheren Situationen zu handeln, indem sie fehlendes oder zumindest aktuell nicht mobilisierbares Wissen überbrücken oder ersetzen können. Die im Prozess der Kompetenzentwicklung verinnerlichten Werte geben ihnen Orientierung, so dass sie Herausforderungen, Probleme und Konflikte selbstorganisiert lösen können. Eine Fähigkeit, von der nicht zuletzt die Führungskräfte profitieren.

Eine gezielte Werteentwicklung ist möglich, wenn Führungskräfte selbstorganisierte Entwicklungsprozesse für Werte ermöglichen. Die Vorgesetzten müssen den Prozess initiieren und begleiten. Die Bildung der Werte an sich findet im individuellen, teambezogenen und organisationalen Handeln statt. Werteentwicklung ist deshalb kein standardisierter Prozess, sondern muss auf das Individuum eingehen. Jeder Mitarbeiter hat andere Denkmuster, Arbeitsmethoden und Ziele, bringt anderes Wissen und unterschiedliche Erfahrungen mit. Auch das Lerntempo ist individuell.

Verkompliziert wird der Prozess dadurch, dass wir in einem Lern- und Arbeitssystem sozialisiert wurden, das durch Fremdsteuerung geprägt ist. In der Schule wurde uns gesagt, was wir zu lernen haben. Im Job lange Zeit, was wir wie tun sollen. Doch die Globalisierung und die Digitalisierung verändern unsere Welt so enorm und rasant, dass die Anforderungen an die Selbstorganisationsfähigkeit stetig steigen. Nicht nur im Berufs-, sondern auch im Privatleben.

Leitfragen für die betriebliche Werteentwicklung

Organisationen gleich welcher Art benötigen eine ganzheitliche, systematische Konzeption des Wertemanagements, das in die Organisationskultur einfließen muss. Prof. Dr. Werner Sauter hat für die Gestaltung von Werteentwicklungsprozessen fünf Leitfragen formuliert:

  1. Setzt das ausgewählte Verfahren für das geistige oder physische Handeln echte Entscheidungs- oder Konfliktsituationen, die nicht mithilfe bisherigen Wissens und Wertens bewältigt werden können?
  2. Erzeugt das Verfahren aufgrund der Bedeutsamkeit dieser Entscheidungs- bzw. Konfliktsituationen echte und tiefgehende emotional–motivationale Labilisierungen, d. h. das Erleben und Bewältigen von Herausforderungen, und wenn, in welcher Stärke?
  3. Gestattet das Verfahren eine emotional hinreichend verankerte gedächtnismäßige Speicherung des Handlungserfolgs?
  4. Werden die erfolgreichen Wertungen in nachfolgenden Kommunikationsprozessen akzeptiert und sozial bekräftigt und wenn, in welcher Stärke?
  5. Lässt sich das Verfahren so generalisieren, dass es in weiteren – und welchen – Zusammenhängen einsetzbar ist?

Social Blended Learning

Agile Arbeitsformen erfordern agile Lernmethoden. So wie das Social Blended Learning, das werte- und kompetenzorientiertes Lernen mit einem Praxisprojekt verbindet und unter Einbeziehung von Social Software informelle, selbstorganisierte und vernetzte Bildungsprozesse im beruflichen Umfeld ermöglicht. Ein Beweis dafür, dass die Digitalisierung nicht nur der Grund für neue Lern- und Arbeitsmethoden ist, sondern zugleich die Lösungen ist.

Im Rahmen des Praxisprojektes haben die Teilnehmer die Möglichkeit Werte und Kompetenzen aktiv auf- und auszubauen. Dabei werden die Lernenden von ihren Lernpartnern (Co-Coaching) sowie einem berufspädagogischen Lernbegleiter (Coach) unterstütz. Die in Social Blended Learning Arrangements erlernte Fähigkeit, den vorhandenen Ermöglichungsrahmen erfolgreich für die Lösung entscheidungsoffener Situationen zu nutzen, werden die Mitarbeiter zunehmend im beruflichen Alltag anwenden. Auf diese Weise können sie eigeninitiativ selbst schwierige Aufgaben bewältigen.

Social Workplace Learning

Social Workplace Learning folgt dem Ansatz des Erfahrungs-, statt des Vorratslernens. Mitarbeiter entwickeln ihre Werte und Kompetenzen mit dieser Methoden nicht mehr dann, wenn die Personalabteilung gerade ein Seminar oder eine Schulung vorschreibt, sondern wenn sie sich mit einer konkreten Problemstellung konfrontiert sehen. Ein Paradebeispiel für die Verschmelzung von Arbeit und Lernen. Auch hierbei kommt wieder das Internet zum Einsatz.

Die Entwicklungsziele werden beim Social Workplace Learning von jedem Mitarbeiter individuell in Abhängigkeit zu seinen beruflichen Aufgaben und Tätigkeiten definiert. Dabei nutzen sie alle Möglichkeiten, die der Ermöglichungsrahmen bietet. Der Entwicklungsprozess wird von Lernpartnern, berufspädagogischen Lernbegleitern und Führungskräften unterstützt. Durch regelmäßige Workshops wird den Mitarbeitern die Möglichkeit zur Reflektion und zum Austausch geboten.

Führungskräfte besetzen eine Schlüsselposition im Wertemanagement

Eigeninitiativ und selbstorganisiert heißt also nicht, dass die Mitarbeiter allein gelassen werden. Gerade im Wertemanagement sind die Führungskräfte wichtige Impulsgeber und Prozessbegleiter, die nicht nur den konkreten Ermöglichungsspielraum schaffen müssen, sondern auch ein Verständnis für die Notwendigkeit neuer Lernsysteme. Erst wenn diese von ihrer Notwendigkeit selbst überzeugt sind, weil sie verstanden haben, welche Rolle Werte und Kompetenzen für die Zukunft von Organisationen spielen, können sie auch Mitarbeiter überzeugen und erfolgreich anleiten.

Innovative Wege des Lernens, die die Werte- und Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zum Ziel haben, sind in Organisationen, die auch in Zukunft erfolgreich und wettbewerbsfähig bleiben wollen, unverzichtbar. Denn wie schon Faix und Mergenthaler so treffend formulierten: “Ein Zugewinn an Bildung im Sinne eines Zugewinns an Kompetenzen bedeutet einen Zugewinn an Handlungsfähigkeit und damit einen Zugewinn an Teilhabe am Leben und an der Welt.”

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