New Work: Arbeitsformen, Werteorientierung und Wirtschaften

New Work: Neue Arbeitsformen, neue Werteorientierung, neues Wirtschaften

Als Prof. Dr. Frithjof Bergmann in den 1970er-Jahren die New-Work-Theorie entwickelte, wagte noch niemand von Globalisierung und Digitalisierung zu träumen. Was wie eine Erfindung der Generation Y klingt, ist nichts weniger, als die Idee eines neuen Arbeitssystems und einer neuen Arbeitskultur. Eine Bewegung, die Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Selbstorganisation des Menschen in den Mittelpunkt stellt und angesichts einer immer agiler werdenden Arbeitswelt aktueller denn je erscheint.

Dem österreichisch-US-amerikanischen Philosophen geht es im Kern darum, dass jeder in seinem Leben das tun kann, was er “wirklich, wirklich will”. Den meisten Menschen jedoch sei das nicht vergönnt. Sie empfinden ihre Arbeit vielmehr als eine milde Krankheit, die man bis zum nächsten Freitag ertragen muss, bevor das Wochenende wieder Raum zum selbstbestimmten Leben lässt, so Bergmann.

Mehr Selbstständigkeit, Teilhabe und Handlungsfreiheit im Arbeitsleben

1984 gründet er in der Automobilstadt Flint in Michigan (USA) das erste “Zentrum für Neue Arbeit”. Hier waren es vor allem Fließbandarbeiter, die dabei beraten wurden herauszufinden, was sie wirklich, wirklich wollen. Denn mit dieser scheinbar einfachen Frage konfrontiert, sind die meisten Menschen schlicht überfordert. Dabei war es nicht zuletzt dank neuer Technologien wie dem Internet noch nie einfacher als jetzt, seine Chancen wahrzunehmen und Träume zu verwirklichen. Aber vielleicht ist es auch gerade die Vielfalt an Möglichkeiten, die zu Überforderung führt.

Bergmann sieht es als Kernaufgabe der Zentren für Neue Arbeit, die Menschen dabei zu unterstützen, sich aus der Armut der Begierde zu befreien. Denn für ihn ist New Work mehr als Employer Branding und Homeoffice, Entrepreneurship und Design Thinking. New Work stellt sich die fundamentale Frage, wie die Arbeit so gestaltet werden kann, dass jeder Mensch mehr Selbstständigkeit, Teilhabe und Handlungsfreiheit erlangt.

New Work: Neue Arbeitsformen, neue Werteorientierung, neues Wirtschaften

Zukunftsweisende Visionen oder Sozialutopie?

Frithjof Bergmann kann zweifelsfrei als Visionär bezeichnet werden. Seine radikale Form der Neuen Arbeit empfinden viele jedoch als Sozialutopie. Damit jeder Einzelne mehr Freiraum und Freiheit hat sich zu entfalten, plädiert der 88-Jährige für eine radikale Kürzung der Erwerbsarbeit, die er als leidiges Übel betrachtet. Maximal zwei Tage in der Woche sollte der Mensch der abhängigen Lohnarbeit nachgehen, die ihn langfristig krank, erpressbar und kaputt mache, wenn er darin keine Erfüllung finde.

Finanziert werden soll das ganze durch eine Ökonomie des minimalen Konsums. Auch das klingt angesichts der immer lauter werdenden Klima- und Nachhaltigkeitsdebatte ziemlich zeitgemäß. Kein Wunder also, dass Bergmann seit einigen Jahren wieder ein gefragter Gastredner auf allerlei Veranstaltungen – auch im deutschsprachigen Raum – ist.

Moderne Selbstversorgung dank 3D-Druckern

Weitsicht hat der Philosoph auch mit den von ihm prophezeiten Fabrikatoren bewiesen, die seiner Theorie zufolge Grundvoraussetzung für eine moderne Selbstversorgung sind und die Menschen unabhängiger von den großen Konzernen machen. Mit den technischen Geräten, mit denen man Zuhause oder im Stadtteilzentrum dreidimensionale Gegenstände aller Art drucken kann, sagte er nichts Geringeres als den 3D-Drucker voraus. Was von Kritikern bis vor einigen Jahren noch als Hirngespinst belächelt wurde, sorgt mittlerweile dafür, dass der Zahnarzt den Zahnersatz direkt in der Praxis drucken und das Gebiss des Patienten binnen weniger Stunden wieder komplementieren kann.

Frithjof Bergmann denkt groß, wenngleich er sich sehr wohl der Notwendigkeit und Bedeutung der kleinen Schritte bewusst ist. New Work ist für ihn ein “ganz anderes Arbeitssystem in einer ganz anderen Gesellschaft”. Selbst wenn die Menschheit von dieser Idee geschlossen begeistert wäre, würde es Jahrzehnte dauern, unser Arbeits- und Wirtschaftssystem nach den präzisen Vorstellungen des Professors umzubauen.

Neue Formen der Arbeit erfordern neue Formen des Wirtschaftens

Dass angesichts der unaufhaltsamen Disruptions- und Transformationsprozesse ein Umdenken erfolgen muss, ist unstrittig. Und so versuchen immer mehr Unternehmen, Institutionen und Wissenschaftler das New Work von damals in ein New Work von heute zu überführen. Denn über kurz oder lang erfordern neue Formen der Arbeit auch neue Formen des Wirtschaftens. Statt nach ständigem Wachstum zu streben, rückt der Sinn der Arbeit wieder stärker in den Fokus. Weconomy statt Economy, wie es sich zum Beispiel die WeQ Alliance auf die Fahnen geschrieben hat, der auch KODE® angehört.

Dass New Work schon längst Realität ist, belegen nicht die jungen Hippster, die mit ihren Laptops im Café arbeiten, sondern die sich wandelnden Hierarchien in den Unternehmen. Flossen in der Old Work die Befehle von oben nach unten und die Berichte von unten nach oben, werden die Strukturen starrer Top-Down-Organigramme immer öfter aufgebrochen.

New Work: Neue Arbeitsformen, neue Werteorientierung, neues Wirtschaften

Handlungsfähigkeit durch Ermöglichungsrahmen

Geschäftsführer und Führungskräfte, denen die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens am Herzen liegt, dürfen nicht mehr ausschließlich nach Command und Control handeln, sondern müssen ihren Mitarbeitern Ermöglichungsrahmen bieten. Ermöglichungsrahmen, in denen sie ihre Talente und Potenziale entfalten und die Kompetenzen entwickeln können, die in einer immer agileren Arbeitswelt über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

So, wie Prof. Dr. Frithjof Bergmann in modernen Maschinen wie dem 3D-Drucker die Chance sieht, dass die Menschen mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen können, nutzen neue Lernmodelle, wie zum Beispiel das Blended Learning, moderne Technologien, damit Menschen in neuen, offenen, unüberschaubaren und dynamischen Entscheidungssituationen, wie sie in der immer komplexer werdenden Arbeitswelt stetig zunehmen, handlungsfähig bleiben.

Werte entscheiden über die Sinnhaftigkeit von Arbeit

Das Internet und die Digitalisierung haben Wissen allgegenwärtig gemacht. Um die Herausforderungen der Neuen Arbeit bewerkstelligen zu können, kommt es nicht mehr darauf an, wie viel Wissen ein Mitarbeiter mitbringt, sondern welche Kompetenzen er besitzt, um Entscheidungen und Probleme selbstorganisiert fällen bzw. lösen zu können.

Doch Kompetenzen hat nur, wer auch Werte besitzt. Denn Werte sind die Kerne von Kompetenzen. Spätestens hier schließt sich der Kreis zur Bergmanns New-Work-Theorie, die eine humanere, intelligentere, ökologischere und fröhlichere Arbeits- und Wirtschaftswelt zum Ziel hat.

New Work ist die logische Konsequenz aus den unaufhaltsamen Disruptions- und Transformationsprozesse

New Work ist keine Bedrohung für Unternehmen, sondern eine Chance. Denn wer seinen Mitarbeitern Entfaltungsspielraum und Ermöglichungsrahmen bietet, der wird mit Personal belohnt, das motivierter, engagierter, kreativer, kompetenter und produktiver ist, als die Befehlsempfänger der Konkurrenz. Personal, dass den durch Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung und neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Big Data und allumfassende Vernetzung verursachten tiefgreifenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft gewachsen ist.

Die Frage lautet nicht, ob ein Unternehmen New Work einführen sollte, sondern welche Facetten – respektive Methoden – dieses Sammelbegriffs für zukunftsfähiges und sinnstiftendes Wirtschaften für ein Unternehmen sinnvoll und praktikabel sind. Denn New Work ist in erster Linie eine Frage der Haltung, Kultur und Führung.

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