Achtsamkeit & Sinnorientierung: Modelle und Methoden für Unternehmen

Achtsamkeit und Sinnorientierung: Modelle und Methoden für Unternehmen

Als Gründer vom Terra Institute beschäftigt sich Günther Reifer intensiv mit den Themen Achtsamkeit, Sinnorientierung und Nachhaltigkeit in Unternehmen. Beim KODE® Brush Up in Berlin wird er dazu einen Workshop leiten und verrät im Interview, was die Teilnehmer erwartet.

Herr Reifer, beim diesjährigen KODE® Brush Up in Berlin leiten Sie den Workshop “System W – Achtsamkeit und Sinnorientierung im Unternehmen”. Was genau erwartet die Teilnehmer des Workshops?

Wir werden in dem Workshop darüber sprechen, welche neuen Modelle und Methoden Unternehmen, die wirklich zukunftsfähig sein wollen, anzuwenden haben, um genau das zu erreichen. Das werden wir aus drei Ebenen herleiten.

Einmal aus dem Bereich sinnorientierte Strategie: Was ist ein Sinnbeitrag für ein Unternehmen? Hierbei geht es nicht primär nur darum, dass das Unternehmen Geld verdienen soll, sondern was der Sinn des Unternehmens im übergeordneten Kontext ist. Wir reden also von Nachhaltigkeit, Ressourcenverbrauch, etc.

In diesem Kontext werden wir auch diskutieren, was eigentlich guten Produkte sind. Dabei geht es zum Beispiel darum Produkte zu schaffen, die keinen Abfall erzeugen und die Ressourcen schonen, indem die verschiedenen Materialien, die verwendet werden, später wieder gut getrennt werden können.

Und last but not least werden wir uns anschauen, was die Lernmodelle der Zukunft sind. Also wie bringen wir Menschen dazu, auch eigeninitiativ Neues zu lernen und Neues anzunehmen

Günther Reifer Terra Institute
Günther Reifer vom Terra Institute

Nachhaltigkeit ist für Sie ein zentrales Thema, nicht erst seitdem die gesellschaftliche Diskussion dazu zunimmt und der Nachhaltigkeitsdruck auf Unternehmen wächst. Warum sollten Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit schon im eigenen Interesse stärker fokussieren?

Als Erstes müssten wir diskutieren, wie man den Begriff der Nachhaltigkeit eigentlich auslegt. Prinzipiell heißt Nachhaltigkeit ja auch, den Fortbestand des Unternehmens ganz grundsätzlich zu sichern. Dementsprechend muss ich mir als Unternehmer natürlich unterschiedliche Rahmenbedingungen anschauen. Die Zahlen im Blick zu haben ist wichtig, weil Wachstum und Co. für viele Unternehmen die primären Ziele sind. Aber wir sagen, dass das dem nicht genug ist.

Wenn ich mich als Unternehmer nur auf Zahlen konzentriere, also auf Wachstum, Umsätze und Gewinn, schaffe ich es selten, alle Menschen in meinem Unternehmen mitzunehmen. Weil die ja in der Regel nicht alle am Erfolg des Unternehmens beteiligt sind. Das heißt, ich muss per se auch mal überlegen, was ich als Unternehmen überhaupt tue und muss mir ganz andere Fragen stellen. Zum Beispiel: Was für einen Beitrag leistet mein Produkt oder meine Dienstleistung eigentlich für die Gesellschaft? Ist es etwas, das eher schädlich ist, oder etwas was wirklich einen globalen Nutzen bringt? Oder aber: Wie stelle ich das Produkt letztlich her? Welche Ressourcen – von Arbeitsleistung über Rohmaterialien bis hin zur Energie – benötige ich, um das Produkt herstellen und anbieten zu können?

Nachhaltigkeit hat also auch viel mit Sinnhaftigkeit zu tun. Da geht es beispielsweise darum, wie transparent ich mein Unternehmen mache. Oder darum, wie intelligent ich als Unternehmer auch die Brains und das Wissen meiner Mitarbeiter nutze. Bin ich sklavisch auf die Effizienz der Prozesse bedacht? Oder bin ich der Auffassung, dass alle Menschen in meinem System Unternehmen viel beizutragen haben? Und diesen Beitrag eines jeden Einzelnen sollte man im Sinne von WeQ dann auch anzapfen und nutzbar machen.

Viele Unternehmer sind leider so organisiert, dass sie sagen: Bitte nicht denken, denn ich habe das alles schon vorgedacht. Und nun tut ihr genau das, was in der Stellenbeschreibung steht. Dabei ist jeder Mensch individuell und hat unterschiedliche Fähigkeiten und Talente. Und genau nach diesen Fähigkeiten und Talenten sollte er sich in das Unternehmen einbringen können und nicht nach einer definierten Stellenbeschreibung – das ist ein großer Unterschied.

Es gibt auch einen Unterschied zwischen mechanistischer und systemischer Denklogik. Die systemische Denklogik fragt: Was steht mir zur Verfügung und wie kann ich das ideal nutzen? Und die mechanistische Denklogik hat einen vorgegebenen Prozess und will, dass sich die Menschen in den vorhandenen Prozess einfügen.

Nachhaltigkeit

Sie appellieren einerseits an die Verantwortung der Unternehmer, sagen aber auch, dass sich Nachhaltigkeit zumindest indirekt finanziell auszahlt. Zum Beispiel, indem Unternehmen, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, weniger Kapitalkosten, motiviertere Mitarbeiter, effizientere Prozesse, ein besseres Image und so weiter haben. Das heißt, Nachhaltigkeit lässt sich letztlich auch in betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ablesen?

Ganz genau. Wobei wir selber eigentlich gar nicht so gern von Nachhaltigkeit sprechen. Wir reden stattdessen lieber von Innovability. Es geht dabei im Prinzip um eine neue Art des Unternehmertums. Und das wollen wir ja auch mit dem WeQ-Gedanken darstellen.

Unser Ziel sind Unternehmer, die vorausgehen und quasi Rahmen schaffen, in denen sich alle Mitarbeiter einbringen können, die sich in dem System wohlfühlen. Und um das System wohlfühlbar zu machen, brauche ich Transparenz, Achtsamkeit, Sinnorientierung, einen positiven Beitrag für das große Ganze und nicht nur für mich als Unternehmer. Das heißt, es braucht einen Wandel von einem egoistischen zu einem ökologischen Weltbild. Der Unternehmer selber stellt sich folglich ganz andere Fragen.

Es geht bei uns um ein neues Entrepreneurship, das sich natürlich dann auch auf Zahlen, Daten und Fakten auswirkt. Das ist die logische Konsequenz. Denn wer arbeitet nicht lieber in einem sinnorientierten System, wo ich mich einbringen kann, wo ich wertgeschätzt und gehört werde. Das liegt in der eigentlichen Natur des Menschen. Die klassische Wirtschaft macht sich aufgrund des falschen Effizienzdenkens leider selbst kaputt.

Welchen Einfluss haben Achtsamkeit und Sinnorientierung im Unternehmen auf die Mitarbeiter, die Mitarbeiterbindung und die Rekrutierung neuer Fach- und Führungskräfte?

Beides hat einen großen Einfluss. Wir haben zum Beispiel einen Banken-Kunden, den wir betreuen. Der kriegt jede Woche zahlreiche Bewerbungen von Mitarbeitern der Deutschen Bank. Diese Menschen haben irgendwann entschieden Banker zu werden und werden das auch weiterhin bleiben. Sie fragen sich jetzt aber ganz bewusst, in welcher Bank sie ihre Lebenszeit verbringen wollen. Wo sie einen Beitrag leisten möchten und wer sie dazu einlädt.

Die schauen sich natürlich genau an, welchen Sinn dieses System als Bank macht und welchen Sinn das andere System macht. Und dort fühlen diese Menschen sich hingezogen und zugehörig. Sie sind mit der Bank in einem großen strategischen Kontext verbunden, was sich auch auf ihre Arbeitsweise auswirkt. Durch Transparenz, Mitgestaltung, etc. erfahren sie einen ganz anderen Führungsstil. Achtsamkeit, Sinnorientierung und Nachhaltigkeit sind letztlich Wettbewerbsvorteile – auch auf dem Arbeitsmarkt.

Mit Ihrem Terra Institute sind Sie wie KODE® auch Gründungsmitglied der WeQ Alliance. Warum ist Ihnen das Engagement in diesem Netzwerk für kollaborative Entwicklungsprozesse so wichtig?

Die Idee war ja letztlich, dass wir unterschiedliche Schulen und Kompetenzen noch enger zusammenbringen. Ein Netzwerk schaffen, in dem mehr aktive Gestaltung machbar ist, als es jedem einzelnen von uns möglich ist. Wo unterschiedliche Partner unterschiedliche Inspirationen hineinbringen, so dass wir uns noch stärker diesen großen Themen widmen können. Weil alleine können wir als Terra Institute natürlich auch nur einen begrenzten Kreis erreichen.

Deshalb beteiligen wir uns gern daran ein Netzwerk von Gleichgesinnten aufzubauen, zu dem eben auch Unternehmerpersönlichkeiten gehören, die sich bewusst sind, dass ihre Ausrichtung und ihr Handeln Einfluss auf globale Fragen wie zum Beispiel den Klimawandel hat. Mit WeQ wurde eine Plattform geschaffen, wo es genau um diese Fragen geht. Jeder bringt sich mit den Kompetenzen ein, der er mitbringt.

Und beim WeQ-Gedanken geht es natürlich auch um das, was ich bereits bei den anderen Fragen gesagt habe: Wie kann ich es schaffen Menschen unterschiedlicher Art zu meinem Unternehmen zugehörig zu machen? Das ist eine zentrale Frage, die sich jeder Unternehmer stellen sollte. Mit WeQ wollen wir helfen, darauf Antworten zu geben.

Zum Abschluss möchte ich Sie um die Vervollständigung des folgenden Satzes bitten: Der KODE® Brush Up ist für mich …?

… eine gegenseitige Inspiration um weiterhin Akzente für eine bessere Welt zu setzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview führte Matthias Koprek für KODE®.

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